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Aktuelles

Sehr geehrte Vereinsmitglieder, liebe Freunde,


wir möchten als Vertreter der aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zugewanderten Menschen in Essen eine Erklärung zur aktuellen Situation in der Ukraine abgeben.
Wir verurteilen jegliche Aggressionen und militärische Kriegshandlungen. Das Vorgehen der russischen Militärführung in der souveränen Ukraine ist für uns inakzeptabel.
Wir sind mit unserem ganzen Herzen bei den betroffenen vor Ort. Weiterhin sprechen wir unsere Anteilnahme an unsere Mitbürger, die noch Familien und Freunde in den betroffenen Gebieten haben und derzeit eine sehr schwere Zeit voller Sorgen und auch Unmut erleben müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass die militärischen Handlungen so bald wie möglich eingestellt werden und die Situation deeskaliert.
Wir hoffen, dass diese Situation keinen Keil zwischen die Menschen treibt und wir weiterhin als eine
bunte, diverse Gemeinschaft unsere Zukunft in Essen, in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt zusammenleben können.
Mehr denn je ist der Satz von Friedrich von Schiller aktuell: „Wir sind ein Volk, und einig wollen wir
handeln!“ Womit wir uns auf die gesamte Menschheit beziehen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand

Welche Auswirkungen hat diese Geschichte auf die Russlanddeutsche, die heute als Spätaussiedler nach Deutschland kommen?

Als erstes muss folgendes geklärt werden. Diese Menschen werden erst hier in Deutschland zu Russlanddeutschen. In Kasachstan oder Russland werden sie als Deutsche bezeichnet. Es steht in russischen und kasachischen Pässen: Staatsangehörigkeit- russisch, bzw. kasachisch; Nationalität- deutsch. Trotz über 200-jährigen Geschichte der Deutschen in Russland, blieben sie dort - Deutsch.

Von 1763- 1871 wurden die Deutsche und Deutschtum gerade gefördert und geschützt. Die Menschen wurden in leeren Regionen eingesiedelt und haben dort eigene Infrastruktur aufgebaut. Den Kontakt zu Einheimischen hatten nur die Deutschen, die in russischen Großstädten lebten. Die absolute Mehrheit der Deutschen lebten aber in Dörfer und Kleinstädten, die sie selbst aufgebaut haben und wo die Nichtdeutsche, Minderheiten bildeten und selbst Deutsch sprachen. An vielen russischen Universitäten konnte man unterschiedliche Studiengänge in Deutsch studieren. Es gab einfach keine Notwendigkeit Russisch zu lernen und der Staat hatte auch kein Bedarf an Integration dieser Gruppe in die Gesellschaft gesehen. Deswegen wurden die Deutschen in Russland auch nach mehr als hundert Jahre als Fremde gesehen.

Als Deutschland 1871 vom Bismarck vereinigt wurde, sah man in sich schnell entwickelnder und wirtschaftlich starker deutscher Minderheit in Russland eine innere Bedrohung.

Erst jetzt entschloss sich der Staat diese Bevölkerungsgruppe in die gesamtrussische Gesellschaft einzubinden. Die Abschaffung von Privilegien, Einführung des Russischen als Pflichtfach und die Einberufung deutscher Männer in die Armee soll man nicht als Verfolgung der Deutschen sehen, sondern als einer Art Integrationsprogramm für Deutschen in Russland.

Man verbot zwar die Erbauung der neuen deutschen Siedlungen, schränkte aber in keiner Weise die Bewegungsfreiheit der Deutschen ein. Außerdem blieb die bereits bestehende deutsche Infrastruktur: Schulen, Kirchen, Verläge usw. unberührt. Russisch wurde zwar seit 1898 zum Pflichtfach an deutschen Schulen in Russland, aber wirklich gelernt haben sie nur die Männer, die damals 7-jährigen Militärdienst leisteten.

Dann kam 1914 der Erste Weltkrieg und die Deutschen wurden in Russland offiziell zum inneren Feind erklärt. Man verbot praktisch alles was Deutsch war, hatte aber nicht die Zeit und Mitteln dieses Verbot durchzusetzen. Bereits 1918 wurde die autonome Republik und später viele autonome Bezirke gegründet, wo wieder alles auf Deutsch lief und die russische Sprache nur für die Karrieristen wichtig war.

Seit 1941 wurde alles gemacht um die Deutschen als Volk auszulöschen. Die meisten Intellektuellen wurden umgebracht, Familien zerrissen und in Mittelasien und Sibirien zerstreut. Jede Erwähnung der deutschen Autonomien wurde aus allen Büchern gestrichen. Die Deutschen lebten bis 1957 unter sich, unter Kommandantur. Sie wurden hundertprozentig mit den „Deutschlandsdeutschen“ von breiten Schichten der Bevölkerung identifiziert und als „Nazi“ und „Faschisten“ gehasst. Unter anderem, weil bis Mitte der 60-er Jahren kaum einer akzentfreien Russisch sprach.

Erst die Generation, der in 60-er und Spätergeborenen (heute unter 45 Jährigen) sprachen bereits als Kleinkinder Russisch. Die meisten Älteren haben Russisch erst nach der Einschulung gelernt. Aber wenn man auch kein Deutsch spricht und sich zum Deutschtum nicht bekennt, ihm die deutsche Sitten und Bräuche egal sind, war und bleibt man in Russland, juristisch gesehen - Deutscher.

Was bedeutete im Alltag, ein Deutscher dort zu sein?

Wenn z.B. ein russischer Fußballclub gegen einen deutschen spielte, mussten die Russlanddeutschen am nächsten Tag von ihren Kollegen oder Kommilitonen Witze anhören, die etwa so klangen: „Aleksander, ruf dein Freund Helmut (Helmut Kohl) an und sag ihm, wenn seine Jungs wieder gewinnen, werden wir alle Deutsche hier abschlachten“ usw.

Wurde in der Schule im Geschichtsunterricht irgendein Krieg zwischen Deutschen und Russen studiert, wurden nach dem Unterricht die „Schlachten“ wiederholt, deutschstämmige Jungs gegen den Rest. Wenn es zum Konflikt kam, wurde man als „Nazi“, „Faschist“, „stinkender Deutscher“ oder „Hitlerjunge“ beschimpft.

Es gibt auch viele Zeugenaussagen von Russlanddeutschen, die beim Militär ihr Dienst geleistet haben, wie sie dort, weil sie „Deutsche“ sind, beleidigt und verprügelt wurden.

Gleichzeitig genossen die Deutschen bei Einheimischen auch ein gewisses Respekt. Die Deutschen wurden als ehrlich, fleißig, pünktlich bezeichnet und galten als ausgezeichnete Handwerker, Mechaniker, Landwirte und Techniker. Diesen Respekt und auch die Anerkennung spürte man auch. Wenn man sich z.B. bei einer Bewerbung um die Stelle eines Mechanikers sich als Deutscher zu erkennen gab, hatte man damit in der Regel ein paar Bonuspunkte dazu. Problematisch war es immer, wenn es um die leitenden Positionen ginge.

Aufgrund der gemachten Erfahrungen entwickelten die Russlanddeutschen folgende Verhaltensregeln: Wir sind fremd hier. Egal wie wir uns bemühen, werden wir nie wie die anderen sein, sondern bleiben hier immer deutsch. Vertraue nie dem Staat, von dem werden wir verfolgt. Sei vorsichtig im Umgang mit anderen, sobald sie erfahren, dass du Deutscher bist, wirst du dir möglicherweise blöde Witze anhören müssen, oder wirst sogar beleidigt und geprügelt. Das einzige, was dich beschützt und dir hilft, ist deine Familie. Da man viele Probleme nicht mit der Hilfe der primären Familie (Eltern - Kinder) lösen kann, muss man die verwandtschaftliche Beziehungen pflegen. Zur Familie gehören nicht nur alle Tanten, Onkels und Kosens, sondern auch die Kosens von Eltern und deren Kinder. Deswegen werden bei Russlanddeutschen zu nächsten Verwandten 50-60 und zu ferner Verwandtschaft noch weitere 100-150 Personen gezählt.

Man lernte als Deutscher in Russland zurückhaltend zu sein, um so mehr man sich öffnet, um so mehr „Angriffsfläche“ bietet man auch an.

Mit diesen Erfahrungen leben die Russlanddeutschen seit etwa 90 Jahren.

Seit 90 Jahren gehören sie zu einer Randgruppe. Jetzt entschieden viele von ihnen nach Deutschland zu kommen. Was erleben diese Menschen hier?

Die Politik beteuert immer wieder, dass „das Tor“ offen bleibt und „Deutschland hat eine Verantwortung gegenüber diesen Menschen“ usw. Gleichzeitig werden die Förderprogramme drastisch gekürzt und die Aufnahmekriterien praktisch jedes Jahr verschärft. In Medien werden seit Jahren fast nur negative Seiten der Migration der Russlanddeutschen erläutert. Für die Mehrheit der Bevölkerung sind die Russlanddeutsche fremd und eigentlich nur „Russen“. Wie eine russische Redewendung lautet, man kam: „aus dem Glüht in das Feuer.“

Trotzdem kommen die Menschen hierher. Die letzten Befragungen über die Gründe der Umsiedlung nach Deutschland, besagten, dass für die meisten Menschen mehrere Gründe gleichzeitig eine Rolle spielten. Hier sind die meistgenanten: Verfolgung der Nichteinheimischen (in Mittelasien), „Familienzusammenführung“, „als Deutscher unter Deutschen zu leben“, „schwere wirtschaftliche Lage“.

Einen Grund haben aber über 80 % genannt, nämlich „Angst um die Zukunft der Kinder“. Damit ist nicht nur die Angst um eine berufliche Zukunft, sondern auch die Angst um gesamte Existenz und sogar Leben gemeint.

Viele Russlanddeutsche nehmen die Schwierigkeiten hier im Kauf, weil sie denken: „Wir selbst werden auch mit Wenigstem zurecht kommen. Die Kinder werden es aber besser haben als wir. Unsere Kinder werden hier auch nicht mehr auffallen und irgendwann weist keiner mehr, woher wir kommen und was wir mal waren.“

Deswegen sprechen bereits 40% der Schüler aus Spätaussiedler Familien auch privat überwiegend Deutsch, obwohl 90% von ihnen nicht in Deutschland geboren sind. Zum Vergleich: nur 30% der türkischen Schüler sprechen überwiegend Deutsch, obwohl 75% von ihnen hier geboren sind. Das wurde während des PISA-Studien NRW-2003 festgestellt.